Geschichte der gesetzlichen Krankenversicherung

Die Anfänge

Vorgänger der (gesetzlichen) Krankenversicherung sind bereits im Mittelalter die auf genossenschaftlicher Basis gegründeten Selbsthilfeeinrichtungen der Zünfte im Handwerk ("Zunftbüchsen") und der Bruderschaften im Bergbau ("Büchsenkassen"). Seit Ende des 18. Jahrhunderts nimmt sich dann zunehmend der Staat der sozialen Sicherung an. So verpflichtet das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 den Staat zur Unterstützung Bedürftiger. Die Preußische Allgemeine Gewerbeordnung vom 17.1.1845 ermächtigt die Gemeinden, durch Ortsstatut alle in ihrem Bereich beschäftigten Gesellen und Gehilfen zu verpflichten, vorhandenen Hilfskassen beizutreten.

Diese Hilfskassen können als Vorläufer sowohl der Ersatzkassen als auch der Unternehmen der privaten Krankenversicherung angesehen werden und erhalten durch das Gesetz über die eingeschriebenen Hilfskassen vom 7.4.1876 eine reichsgesetzliche Grundlage. Bis zu diesem Zeitpunkt gibt es in einzelnen deutschen Staaten unterschiedliche Regelungen.

Die weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, vor allem die Folgen der Industrialisierung, veranlassen die Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung.

Von der "Kaiserlichen Botschaft" (1881) bis zur Reichsversicherungsordnung (1911)

Das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15.6.1883, das am 1.12.1884 in Kraft tritt, begründet die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland.

Grundlage für dieses Gesetz bildet die Kaiserliche Botschaft vom 17.11.1881. In dieser bringen der Kaiser und damit die Reichsregierung die Überzeugung zum Ausdruck, daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression der sozialdemokratischen Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde."

Es führt erstmals und einheitlich in ganz Deutschland eine Krankenversicherungspflicht (Versicherungszwang) für Arbeitnehmer in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Brüchen und Gruben, Fabriken und Hüttenwerken, beim Eisenbahn- und Binnendampfschiffahrtsbetrieb, auf Werften und bei Bauten, im Handwerk und in sonstigen stehenden Gewerbebetrieben sowie in Kraftwerken ein. Die Angestellten unterliegen der Versicherungspflicht, wenn ihr Arbeitsverdienst 2400 M im Jahr nicht übersteigt. Die Gemeinden und Kommunalverbände werden ermächtigt, die Versicherungspflicht auf vorbergehend Beschäftigte, Handlungsgehilfen und -lehrlinge, Heimarbeiter, Hausgewerbetreibende und in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigte Arbeiter auszudehnen. Dienstboten wird ein Beitrittsrecht eingeräumt. Wer aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausscheidet, kann sich durch freiwillige Weiterzahlung der Beiträge den Anspruch auf Leistungen erhalten.

Für die Personen, die nicht einer anderen Krankenkasse angehören müssen, wird die Krankenversicherung von den Gemeinden in Form der Gemeinde-Krankenversicherung durchgeführt. Weitere Versicherungsträger sind die durch das neue Gesetz geschaffenen Orts-, Betriebs-, Fabrik- und Bau-Krankenkassen sowie die bereits in der Gewerbeordnung begründeten Innungskrankenkassen und in berggesetzlichen Vorschriften geregelten Knappschaftskassen. Unter bestimmten Voraussetzungen können Versicherungspflichtige sich auch bei einer der "eingeschriebenen Hilfskassen" versichern.

Mit einem Gesetz vom 1.6.1884 werden insbesondere die Vorschriften über die Leistungen und über die Verfassung der Hilfskassen an die neuen Bestimmungen für die gesetzliche Krankenversicherung angepaßt. Gleichzeitig wird eine Rechtsgrundlage für die Abweichungen und Besonderheiten der Hilfskassen geschaffen. So bleibt es den Hilfskassen nach wie vor gestattet, die Höhe der Beiträge nach Maßgabe des Geschlechts, des Gesundheitszustandes, des Lebensalters, der Beschäftigung oder des Beschäftigungsortes zu bemessen.

Die Leistungen sind bei den einzelnen Versicherungsträgern verschieden. Als Mindestleistungen der Gemeinde-Krankenversicherung sieht das Gesetz die freie ärztliche Behandlung einschließlich Arznei- und kleiner Heilmittel ab dem 1. Krankheitstag und im Falle der Arbeitsunfähigkeit ab dem 3. Krankheitstag ein Krankengeld von 50 Prozent des ortsüblichen Tagelohnes gewöhnlicher Tagearbeiter vor. Dieser liegt 1885 zwischen 1,50 und 2 M. An Stelle dieser Leistungen kann freie Kur und Verpflegung in einem Krankenhaus zur Verfügung gestellt werden. Wenn der Versicherte unterhaltsberechtigte Angehörige hat, ist während der Krankenhausbehandlung die Hälfte des Krankengeldes zu zahlen. Die Krankenunterstützung (Krankenhilfe) endet spätestens mit dem Ablauf der dreizehnten Woche nach Beginn der Krankheit.

Die Mindestleistungen der anderen Versicherungsträger umfassen neben diesen Leistungen der Gemeinde-Krankenversicherung ein Sterbegeld in Höhe des 20fachen ortsüblichen Tagelohnes und eine Wöchnerinnenunterstützung für mindestens drei Wochen nach der Niederkunft in Höhe des Krankengeldes. Bemessungsgrundlage dieses Stillgeldes ist nicht der ortsübliche Tagelohn gewöhnlicher Tagearbeiter, sondern der durchschnittliche Tagelohn des versicherbaren Personenkreises. Die Betriebs- und Baukrankenkassen können auch den wirklichen Arbeitsverdienst der einzelnen Versicherten als Grundlage nehmen. Für die Hilfskassen gelten die gleichen Mindestleistungen wie für die Gemeinde-Krankenversicherung. Sie können aber statt der freien ärztlichen Behandlung einschließlich Arznei- und kleiner Heilmittel eine Erhöhung des Krankengeldes auf 75 Prozent des Grundlohnes vornehmen.

Die Orts-, Betriebs-, Bau- und Innungskrankenkassen können ihre Leistungen erweitern. Die Dauer der Krankenunterstützung kann bis zu einem Jahr festgesetzt werden. Das Krankengeld kann auf drei Viertel des durchschnittlichen Tagelohnes erhöht werden. Während eines Krankenhausaufenthaltes kann auch Versicherten, die keine Unterhaltspflichten haben, ein Krankengeld bis zu einem Achtel des durchschnittlichen Tagelohnes gewährt werden. Die Wöchnerinnenunterstützung kann auf bis zu sechs Wochen ausgedehnt werden. Das Sterbegeld kann bis zum 40fachen des ortsüblichen Tagelohnes erhöht werden. Auch ein Familiensterbegeld und zwar in Höhe von zwei Dritteln beim Tod der Ehefrau und in Höhe der Hälfte beim Tod eines Kindes ist möglich.

Der Schutz im Krankheitsfall kann durch Statut auf die Familienangehörigen ausgedehnt werden. Das Statut kann allerdings bestimmen, daß die Familienhilfe nur auf besonderen Antrag und gegen einen Zusatzbeitrag gewährt wird, der von dem betreffenden Mitglied allein, ohne Beteiligung des Arbeitgebers, aufzubringen und einzuzahlen ist. Die Gemeinde-Krankenversicherung darf Familienhilfe nur auf Antrag und nur gegen Zusatzbeiträge gewähren.

Die Beiträge werden bei den Hilfskassen von den Arbeitnehmern allein, im übrigen von den Arbeitnehmern zu zwei Dritteln und den Arbeitgebern zu einem Drittel entrichtet. Ist ein Betrieb mit besonderen Krankheitsgefahren verbunden, kann der Unternehmer verpflichtet werden, eine Betriebskrankenkasse zu errichten oder für jeden versicherungspflichtig Beschäftigten zusätzliche Beiträge bis zu fünf Prozent des verdienten Lohnes aus eigenen Mitteln zu leisten. Die Zahlung der Beiträge erfolgt durch den Arbeitgeber, bei den Hilfskassen durch den Arbeitnehmer. Die Bemessungsgrundlage für die Beiträge ist grundsätzlich das Arbeitsentgelt bis zu einem bestimmten Höchstbetrag. Zur Vereinfachung der Beitragsberechnung wird das Arbeitsentgelt bei der Gemeinde-Krankenversicherug durch den ortsüblichen Tagelohn gewöhnlicher Tagearbeiter und bei den Ortskrankenkassen durch den durchschnittlichen Tagelohn ersetzt. Der Beitrag wird in Prozenten des durchschnittlichen Tagelohnes bemessen. Dieser Beitragssatz darf über drei Prozent nur hinausgehen, wenn dies zur Deckung der Mindestleistungen erforderlich ist. Nach Errichtung einer Krankenkasse darf der Beitragssatz auch zur Deckung von Mehrleistungen erhöht werden, wenn die Vertreter der Versicherten und der Arbeitgeber in getrennten Abstimmungen zustimmen und der Beitragssatz 4,5 Prozent nicht übersteigt. Der Durchschnittsbeitragssatz liegt Ende 1885 bei etwa 1,8 Prozent.

Das Gesetz über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung vom 28.5.1885 erstreckt die Versicherungspflicht auf den gesamten Betrieb der Post-, Telegraphen- und Eisenbahnverwaltungen sowie auf sämtliche Betriebe der Marine- und Heeresverwaltung, auf den Baggereibetrieb und das gesamte Speditionsgewerbe.

Das Gesetz betreffend die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen vom 5.5.1886 enthält Bestimmungen über die Krankenversicherung in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, sofern die Versicherungspflicht auf diesen Betrieb durch Landesgesetz oder Ortsstatut ausgedehnt wird.

Am 10.4.1892 wird das Gesetz ber die Abänderung des Gesetzes betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter verabschiedet. Die Bezeichnung Krankenversicherungsgesetz (KVG) wird eingeführt. Die Änderungen beziehen sich vor allem auf die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und hier insbesondere auf die Hilfskassen.

Außerdem werden die Angestellten der Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Versicherungsanstalten sowie der Anwälte, Notare und Gerichtsvollzieher der Versicherungspflicht unterstellt, sofern ihr Gehalt die Versicherungsgrenze nicht überschreitet. Die Möglichkeit, das Krankengeld auf der Grundlage des tatsächlichen Einkommens zu berechnen, die bisher nur für die Betriebs- und Bau-Krankenkassen bestand, wird nun auf alle Kassenarten ausgedehnt. Die Karenzzeit bei der Zahlung des Krankengeldes wird zur Disposition der einzelnen Krankenkasse gestellt. Das Krankengeld kann nun auch schon ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit gezahlt werden. Zur Berechnungsgrundlage der Beiträge kann durch die Satzung das tatsächliche Arbeitseinkommen bestimmt werden.

Das Gesetz betreffend weitere Abänderungen des Krankenversicherungsgesetzes vom 25.5.1903 dehnt die Versicherungspflicht auf Handlungsgehilfen und -lehrlinge aus, wenn ihr Arbeitsverdienst 2000 M im Jahr nicht übersteigt, verlängert die gesetzliche Unterstützungsdauer von 13 auf 26 Wochen, die Wöchnerinnenunterstützungsdauer von 3 auf 6 Wochen, läßt die Beschränkungen des Krankengeldbezugs bei Geschlechtskrankheiten fortfallen, erhöht die Befugnisse der Aufsichtsbehörden und setzt den Beitrags-Höchstsatz von 3 auf 4,5 Prozent herauf.

Ein zweiter Abschnitt in der Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung beginnt mit der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 19.7.1911, deren Vorschriften über die Krankenversicherung im Zweiten Buch am 1.1.1914 in Kraft treten. Mit 12,3 Millionen Menschen sind zu diesem Zeitpunkt 18 Prozent der Bevölkerung des Deutschen Reiches in rund 22.000 Krankenkassen versichert.

In der Krankenversicherung greift die RVO vor allem in die Organisation der Versicherungsträger ein. Die Gemeinde-Krankenversicherung mit etwa 8.500 Kassen wird beseitigt und ihre Aufgaben auf die Ortskrankenkassen (Allgemeine Ortskrankenkassen) und die neue Kassenart der Landkrankenkassen übertragen. Vorhandene Ortskrankenkassen, die nur für einen bestimmten Gewerbezweig oder eine bestimmte Betriebsart zuständig sind, werden nun als Besondere Ortskrankenkassen bezeichnet. Neue Krankenkassen dieser Art dürfen nicht errichtet werden. Die Baukrankenkassen hören auf, eine besondere Kassenart zu sein. Sie gehören nun zu den Betriebskrankenkassen.

Die eingeschriebenen Hilfskassen werden durch das Gesetz betreffend die Aufhebung des Hilfskassengesetzes vom 20.12.1911, das am 1.6.1912 in Kraft tritt, als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit dem Reichsgesetz über die privaten Versicherungsunternehmen vom 12.5.1901 unterstellt. In der RVO wird bestimmt, daß bestehende eingeschriebene Hilfskassen als "Ersatzkassen" für die sogenannten RVO-Kassen zuzulassen sind, wenn ihnen vor dem 1.4.1909 eine Bescheinigung nach dem Krankenversicherungsgesetz als eingeschriebene Hilfskasse erteilt worden war. Alle Kassen, die als Ersatz für die RVO-Kassen nicht in Betracht kommen, können als private Krankenversicherer für Personen, die nicht der Versicherungspflicht unterliegen, Krankheitskostenvollversicherungen und für Versicherungspflichtige, denen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht genügen, Krankheitskostenteilversicherungen anbieten. Der Arbeitgeberanteil muß nun auch für die Mitglieder der Ersatzkassen gezahlt werden. Er fließt jedoch der zuständigen RVO-Kasse zu; die Ersatzkasse erhält auf Antrag und aufgrund einer widerruflichen Anordnung des Bundesrates vier Fünftel des Arbeitgeberanteils erstattet.

Die Versicherungspflicht wird durch die RVO auf rund 7 Millionen land- und forstwirtschaftliche Arbeiter, Dienstboten, unständige Arbeiter, das Wander- und das Hausgewerbe ausgedehnt. Die Versicherungsleistungen werden mäßig erweitert. Die Versicherungspflichtgrenze für Angestellte wird von 2000 M auf 2500 M jährlich erhöht. Neu ist die Bestimmung, daß die freiwillige Versicherung beim Überschreiten einer Einkommensgrenze von 4000 M im Jahr erlischt.

Der Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik

Kurz danach beginnt der Erste Weltkrieg, der auch auf dem Gebiet der Krankenversicherung zu außerordentlichen Maßnahmen vor allem im Leistungsrecht zwingt.

Ein Gesetz vom 4.8.1914 beseitigt die satzungsmäßigen Mehrleistungen und setzt die Beiträge auf 4,5 Prozent des Grundlohnes herab. Die Hausgewerbetreibenden sind von 1914 bis 1921/22 der Versicherungspflicht entzogen.

Die Verordnung der Volksbeauftragten vom 22.11.1918, die am 2.12.1918 in Kraft tritt, erhöht die Krankenversicherungspflichtgrenze von 2500 M auf 5000 M jährlich. Die Bestimmung üer das Erlöschen der freiwilligen Versicherung wird aufgehoben.

Durch Verordnung bzw. Gesetz vom 3.12.1919 und 28.06.1919 erhalten die Ersatzkassen den vollen Arbeitgeberanteil unmittelbar.

Die Inflation in der Zeit von 1920 bis 1923 bewirkt, daß die Versicherungpflichtgrenze in sehr kurzen Abständen angehoben wird. Sie beträgt ab dem 26.4.1920 20.000 M, ab dem 10.5.1920 15.000 M, ab dem 5.1.1922 40.000 M, ab dem 7.7.1922 72.000 M, ab dem 22.9.1922 204.000 M, ab dem 11.12.1922 720.000 M, ab dem 18.4.1923 4,8 Mio. M, ab dem 29.6.1923 9,72 Mio. M, ab dem 2.7.1923 24 Mio. M, ab dem 30.7.1923 48 Mio. M, ab dem 27.8.1923 1,5 Mrd. M, ab dem 22.10.1923 1,2 Bill. M und ab dem 12.11.1923 15 Bill. M. Am 15.11.1923 wird die als Provisorium vorgesehene Rentenmark eingeführt. Die Versicherungspflichtgrenze wird bis zur Einführung der Reichsmark (RM) am 11.10.1924 in Goldmark (GM) angegeben. Sie beträgt ab dem 3.12.1923 1.800 GM und ab dem 3.3.1924 2.400 GM. In den Währungsgesetzen vom 30.8.1924 wird die Reichsmark eingeführt. Die Jahresarbeitsverdienstgrenze für Angestellte wird durch eine Verordnung vom 10.1.1925 ab dem 12.1.1925 auf 2.700 RM festgesetzt.

Nach einem Gesetz vom 27.3.1923 dürfen keine Orts- und Landkrankenkassen nebeneinander bestehen, wenn befürchtet werden muß, daß eine von beiden leistungsunfähig wird. Die Vereinigung von Krankenkassen wird erleichtert. Die Einrichtung neuer Betriebskrankenkassen darf nur mit Einwilligung des Betriebsrates erfolgen. Beiträge und Leistungen werden auf den Kalendertag und nicht mehr auf den Arbeitstag abgestellt.

Eine Verordnung vom 27.9.1923 gibt allen Ersatzkassenmitgliedern das Recht auf Befreiung von der Mitgliedschaft zur Zwangskasse. Die Ersatzkassen dürfen keine Untersuchungen vor Aufnahme vornehmen und Erkrankte nicht ablehnen.

Durch ein Gesetz vom 15.7.1927 wird die Versicherungspflichtgrenze auf 3.600 RM jährlich erhöht und die Versicherungspflicht auf Angestellte im Erziehungs- und Unterrichtswesen und im Bereich der Fürsorge und der Kranken- und Wohlfahrtspflege ausgedehnt. Gleichzeitig wird die aus der Inflationszeit stammende Bestimmung der RVO beseitigt, die dazu diente, die Versicherungspflichtgrenze durch eine Verordnung des Reichsarbeitsministers der steigenden Geldentwertung ohne Zeitverlust anzupassen.

Am 16.12.1927 ergeht das Gesetz über die Krankenversicherung der Seeleute. Dieses begründet die Versicherungspflicht der Seeleute und errichtet die Seekrankenkasse, die der Seeberufsgenossenschaft in einer besonderen Abteilung untersteht. Die Beiträge tragen zu drei Fünfteln die Seeleute, zu zwei Fünfteln die Reeder.

Die (Erste) Notverordnung vom 26.7.1930 führt den Vertrauensärztlichen Dienst, eine Krankenscheingebühr von 0,50 RM und einen Arzneikostenanteil von 0,25 RM pro Verordnungsblatt ein. Die Bestimmung über das Erlöschen der freiwilligen Versicherung wird wiederhergestellt. Die Versicherungsberechtigung erlischt bei einem Verdienst von 8.400 RM jährlich. Ein Beitragssatz über 6 Prozent darf nur zur Deckung der Mindestleistungen oder auf übereinstimmenden Beschluß der Vertreter der Versicherten und der Arbeitgeber festgesetzt werden. Bei einem Beitragssatz über 7,5 Prozent ist die Zustimmung des Reichsversicherungsamtes erforderlich. Die Familienkrankenpflege für Ehegatten und unterhaltsberechtigte Kinder, die sich als Mehrleistung der Kassen bereits weitgehend durchgesetzt hat, wird zur Pflichtleistung ohne besonderen Zusatzbeitrag. Darber hinaus ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange und soweit der Versicherte Anspruch auf Arbeitsentgelt hat.

Die Zweite Notverordnung vom 1.12.1930 setzt für das Krankengeld eine Grundlohnhöchstgrenze von 10 RM für den Krankheitstag fest. Das Krankengeld beträgt 50 Prozent des Grundlohnes. Zuschläge sind nur wegen des Familienstandes oder der Dauer der Arbeitsunfähigkeit möglich. Insgesamt darf das Krankengeld nicht mehr als 75 Prozent des Grundlohns betragen. Die Zahlung des Krankengeldes beginnt mit dem 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit und nicht wie bisher mit dem 4. Krankheitstag.

Die Dritte Notverordnung vom 5.6.1931 ermächtigt den Reichsarbeitsminister, Beitragserhöhungen von der Zustimmung der Oberversicherungsämter abhängig zu machen. Der Reichsarbeitsminister macht hiervon in seiner Verordnung vom 1.8.1931 Gebrauch.

Die Vierte Notverordnung vom 8.12.1931 beschränkt die Leistungen der Krankenkassen auf die Regelleistungen. Mehrleistungen bedürfen der Zustimmung der Oberversicherungsämter, die nur zulässig ist, wenn der Beitragssatz nicht mehr als 5 Prozent beträgt.

Die Zeit des Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg

Die Verordnung über Krankenversicherung vom 1.3.1933 diente vier Tage vor der Reichstagswahl als Wahlpropaganda. Sie setzt unter anderem die unpopuläre Krankenscheingebhr von 0,50 RM auf 0,25 RM herab.

Aufgrund dieser Verordnung ergeht am 17.3.1933 die erste Verordnung zur Neuordnung der Krankenversicherung. Sie bestimmt, daß der Reichsarbeitsminister für einzelne Krankenkassen und Kassenverbände die Aufsicht Kommissaren übertragen und sie ermächtigen kann, die Aufgaben der Selbstverwaltungsorgane zu übernehmen.

Das Gesetz zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Invaliden-, der Angestellten- und der knappschaftlichen Versicherung vom 7.12.1933 setzt die Grenze für das Erlöschen der freiwilligen Versicherung von 8.400 RM auf 7.200 RM herab.

Mit dem Gesetz über den Aufbau der Sozialversicherung vom 5.7.1934 (Aufbaugesetz) wird eine Neuordnung der RVO eingeleitet. Diesem Gesetz folgen 17 Verordnungen zum Aufbau der Sozialversicherung (Aufbauverordnungen), die zahlreiche Änderungen in Organisation, Finanzierung und Aufsicht über die Krankenkassen einführen.

Zuerst wird die von Arbeitgebern und Versicherten getragene Selbstverwaltung aufgelöst und durch das sogenannte Führerprinzip ersetzt. An die Stelle der Selbstverwaltungsorgane tritt ein staatlich bestellter Leiter, dem lediglich ein Beirat zur Unterstützung und Beratung zur Seite gestellt wird. Träger der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben die Orts-, Land-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, die Seekrankenkasse und die Reichsknappschaft.

Die 10. Aufbauverordnung vom 26.9.1935 ermöglicht die Überführung der Besonderen Ortskrankenkassen in Innungs- und Allgemeine Ortskrankenkassen.

Aufgrund der 12. Aufbauverordnung vom 24.12.1935 sollen gesetzliche und private Krankenversicherung getrennt werden.
So können ab dem 1.1.1936 nur noch Versicherungspflichtige oder -berechtigte entsprechend dem am 1.4.1909 durch Satzung bestimmten Personenkreis aufgrund eines Versicherungsantrags Mitglieder einer Ersatzkasse für Arbeiter oder einer Ersatzkasse für Angestellte werden. Ersatzkassen für Arbeiter und Angestellte gibt es ab dem 1.2.1936 nicht mehr.
Ab dem 1.4.1936 werden die Angestelltenersatzkassen der Aufsicht des Leiters der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und die Arbeiterersatzkassen der Aufsicht der auch für alle anderen Krankenkassen zuständigen Versicherungsämter unterstellt.
Die Bestimmung über das Erlöschen der freiwilligen Versicherung von Angestellten beim Überschreiten der Einkommensgrenze von 7.200 RM gilt nun auch für Personen, die nach dem 31.12.1935 einer Ersatzkasse beigetreten sind.
Da die Mitglieder der Ersatzkassen, die nach dem neuen Recht weder versicherungspflichtig noch -berechtigt sind, sich bis zum 31.12.1936 privat versichern müssen, gründen verschiedene Ersatzkassen besondere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (sog. Nachfolgevereine).
Zuschußversicherungen mit Mehrleistungen gegen Zusatzbeiträge und Krankengeldversicherungen dürfen mit Wirkung vom 1.1.1936 von den Ersatzkassen nicht mehr abgeschlossen werden.

Die 15. Aufbauverordnung vom 1.4.1937 erklärt die Ersatzkassen zu Körperschaften des öffentlichen Rechts und stellt sie damit den anderen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung gleich. Nach einem auf dieser Verordnung basierenden Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 10.4.1937 müssen die Verwaltungsgemeinschaften zwischen Ersatzkassen und Nachfolgevereinen aufgelöst werden. So soll die bereits mit der 12. Aufbauverordnung angestrebte Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung endgültig durchgeführt werden.

Das Gesetz über die Versicherung der Artisten vom 13.1.1938 regelt die gesetzliche Krankenversicherung der Artisten, Hausgewerbetreibenden und selbständigen Lehrer und Erzieher. Hebammen mit Niederlassungserlaubnis werden durch ein Gesetz vom 12.12.1938 und eine Verordnung vom 23.3.1939 versicherungspflichtig. Kriegshinterbliebene erhalten aufgrund einer Verordnung vom 20.4.1939 anstelle der bisherigen Fürsorge im Krankheitsfall einen Rechtsanspruch auf die Leistungen der zuständigen Ortskrankenkasse. Den Beitrag zahlt das Reich über die Versorgungsämter.

Die Bestimmung über das Erlöschen der freiwilligen Versicherung wird durch einen Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 4.2.1941 außer Kraft gesetzt.

Mit gesetzesgleicher Wirkung ergeht mit dem Ziel der Verbesserung des Leistungswesens ein Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 21.5.1941. Dieser Erlaß führt eine Krankenpflege (ärztliche Behandlung) ohne zeitliche Begrenzung, eine Zahlung des Krankengeldes bis zu 26 Wochen und die Möglichkeit, durch die Satzung eine Zahlung des Krankengeldes bis zu 52 Wochen vorzusehen, ein und gestaltet die Leistungen für Zahnersatz aus.

Das Gesetz über die Verbesserung der Leistungen in der Rentenversicherung vom 24.7.1941 führt die gesetzliche Krankenversicherung der Rentner ein. Der zum Bezug einer Rente aus der Invaliden- oder Angestelltenversicherung Berechtigte ist nun krankenversicherungspflichtig. Träger der Krankenversicherung sind die Orts- oder Landkrankenkassen.

In der Verordnung über die (gesetzliche) Krankenversicherung der Rentner (KVdR) vom 4.11.1941 wird festgelegt, daß die Träger der Rentenversicherung je Rentner einen Pauschalbeitrag von 3,30 RM an die Krankenkassen zahlen. Die Rentner selbst werden daran mit einem Betrag von 1 RM beteiligt.

Durch das am 1.7.1942 in Kraft tretende Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) vom 17.5.1942 wird den in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Frauen während der ersten sechs Wochen vor und der ersten sechs Wochen nach der Niederkunft ein Wochengeld in Höhe des Durchschnittseinkommens der letzten 13 Wochen, jedoch mindestens 2 RM täglich eingeräumt. Die den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung erwachsenen Mehrausgaben werden vom Reich übernommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellen die Krankenkassen diese Leistungen ein, da sich keine Stelle findet, die die Aufwendungen übernimmt.

Selbständige Wochenpflegerinnen werden durch eine Verordnung vom 7.2.1943 versicherungspflichtig.

Die Erste Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17.3.1945 ist das letzte nationalsozialistische Gesetz. Es tritt zunächst nur in der britischen Besatzungszone in Kraft, geht dann aber zum großen Teil in Bundesrecht über. Sie sieht ab dem 1.5.1945 vor, daß die Krankenscheingebühr bis auf weiteres aus Gründen der Vereinfachung nicht mehr erhoben wird, und erhöht den Arzneikostenanteil von 0,25 RM auf 0,50 RM je Verordnungsblatt.

Nachkriegszeit

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung in den einzelnen Besatzungszonen unterschiedlich weitergeführt.

In der französischen Besatzungszone ergeht unter dem 15.11.1945 eine Verordnung des Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz, die die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung von 3.600 RM auf 7.200 RM Jahreslohn heraufsetzt. Außerdem befreit die Mitgliedschaft bei einer Ersatzkasse nicht mehr von der Beitragspflicht zur RVO-Kasse.

Diese Grundsätze werden mit geringen Abweichungen auch in der übrigen französischen Besatzungszone durch die Verordnung Nr. 39 des Chefs der französischen Besatzungsmacht vom 17.4.1946 ab 1.6.1946 eingeführt. Zusätzlich werden die Ersatz-, Land-, Betriebs- und Innungskrankenkassen aufgelöst, die Pflichtmitglieder durch eine Muß-, die freiwilligen Mitglieder durch eine Kann-Vorschrift auf die Ortskrankenkassen überführt.

Am 9.8.1949 wird die Verordnung Nr. 39 durch die Verordnung Nr. 227 der französischen Militärregierung aufgehoben. Vorher hatten bereits die Landtage und Regierungen der Länder Württemberg-Hohenzollern, Rheinland-Pfalz und Baden im Wege der Gesetzgebung die Betriebs- und Innungs-, teilweise auch die Landkrankenkassen wieder ins Leben gerufen. Die Versicherungspflichtgrenze wurde zum Teil wieder dem alten Recht angepaßt.

Das Saarland wird erst durch den am 27.10.1956 zwischen der Französischen Republik und der Bundesrepbulik Deutschland unterzeichneten Vertrag zur Regelung der Saarfrage und das Gesetz über die Eingliederung des Saarlandes vom 23.12.1956 ab dem 1.1.1957 ein Land der Bundesrepublik Deutschland. Durch das Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher Vorschriften im Saarland vom 30.6.1959 sind ab dem 1.9.1959 Angestellte nur dann noch versicherungspflichtig, wenn ihr regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst 7.920 DM nicht übersteigt.

In der sowjetischen Besatzungszone führt der Befehl Nr. 28 des obersten Chefs der sowjetischen Militärverwaltung vom 28.1.1947 die Verordnung über die Sozialversicherung ein. Für jedes Land der sowjetischen Besatzungszone wird eine Sozialversicherungsanstalt als alleiniger Träger der Sozialversicherung geschaffen. Das bisherige Recht wird aufgehoben. Das den Ländern und Provinzen der sowjetischen Besatzungszone mit dieser Verordnung zuerkannte Organisationsrecht geht nach Gründung der Deutschen Demokratischen Republik auf diese über. Es bleibt jedoch bei dem einheitlichen System der Pflichtversicherung.

In Berlin wird durch die Anordnung über die Sozialversicherung vom 14.7.1945 die Sozialversicherungsanstalt Berlin als einziger Träger der gesamten Sozialversicherung in Berlin errichtet.

Der Versicherungspflicht unterliegen - ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens - alle in Berliner Betrieben beschäftigten Arbeiter und Angestellten sowie die Gewerbetreibenden und sonstigen Selbständigen mit nicht mehr als fünf Arbeitnehmern. Auch alle Bediensteten im öffentlichen Dienst sind versicherungspflichtig. Versicherungsfrei sind im wesentlichen nur Selbständige, die mehr als fünf Personen beschäftigen, Geistliche, Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und ähnliche Personen. Soweit keine Versicherungspflicht besteht, wird in weitgehendem Umfang eine freiwillige Versicherung zugelassen.

An Stelle der bisherigen unterschiedlichen Beiträge in den einzelnen Versicherungszweigen tritt für die ständig Beschäftigten ein einheitlicher Beitrag von 20 Prozent des Erwerbseinkommens bis zu einer Bemessungsgrenze von 600 RM monatlich. Die Beiträge werden je zur Hälfte von den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern getragen. Für die Gewerbetreibenden und die versicherungspflichtigen Selbständigen werden die Beiträge nach der Zahl der beschäftigten Personen berechnet. Freiwillige Versicherte zahlen einen Monatsbeitrag von 6 RM.

Bei Krankheit, Schwangerschaft und Niederkunft erhält der Versicherte nach näherer Bestimmung der Satzung Leistungen, die im wesentlichen den früher nach dem Reichsrecht zu gewährenden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Die gesundheitlichen Leistungen unterliegen nicht mehr der Aussteuerung. Neben den Familienangehörigen haben auch Rentner und Arbeitslose Ansprüche auf Kranken- und Familienhilfe.

Die politische Spaltung Berlins beendet auch die einheitliche Durchführung und Gestaltung der Sozialversicherung. Die organisatorische Trennung wird durch die Verordnung über die Bildung der Organe der Versicherungsanstalt Berlin des Magistrats im sowjetischen Sektor Berlins vom 21.1.1949 eingeleitet.

Hierdurch übernimmt die Versicherungsanstalt Berlin die Sozialversicherung im Ostsektor. In der Folgezeit wird das Sozialversicherungsrecht in Ostberlin dem Recht der sowjetischen Besatzungszone angeglichen. Diese Angleichung wird im wesentlichen durch die Verordnung über die Sozialversicherung vom 5.11.1951, die den organisatorischen Aufbau der Sozialversicherung der Deutschen Demokratischen Republik auf Ostberlin überträgt, abgeschlossen.

In Westberlin wird durch das Gesetz über die vorläufige Verwaltung der Versicherungsanstalt Berlin vom 1.2.1949 eine eigene Versicherungsanstalt Berlin-West geschaffen. Das Prinzip der Einheitsversicherung wird zunächst aufrechterhalten. Es wird jedoch bereits mit einer ab dem 1.10.1949 geltenden Satzungsänderung durchbrochen, die eine gewisse Anpassung an die westdeutschen Verhältnisse bringt.

Der erste Schritt für eine Rechtsangleichung und damit für eine Auflockerung der Einheitsversicherung ist das Gesetz zur Anpassung des Rechts der Sozialversicherung in Berlin an das in der Bundesrepublik geltende Recht vom 3.12.1950, durch das mit Wirkung vom 1.1.1951 die finanzielle Selbständigkeit der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung wiederhergestellt wird. Das Leistungs- und Beitragsrecht wird weitgehend an das Bundesrecht angeglichen. Aus dem vesicherungspflichtigen Personenkreis scheiden die Gewerbetreibenden und sonstigen Selbständigen, mit Ausnahme der Handwerker, wieder aus.

Auf der Grundlage des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Drittes Überleitungsgesetz) vom 4.1.1952, das in Berlin durch Gesetze vom 12.6.1952 und vom 22.12.1952 übernommen wird, werden die in Berlin geltenden Bestimmungen über die Renten- und Unfallversicherung an das Bundesrecht angepaßt. Der bisherige einheitliche Träger der Sozialversicherung in Berlin, die Versicherungsanstalt Berlin-West, erhält die Bezeichnung Krankenversicherungsanstalt Berlin.

Die Angleichung des materiellen Rechts der Krankenversicherung in Berlin wird vor allem durch das Gesetz über die Einführung einer Einkommensgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.1953 sowie durch das Gesetz über die Erweiterung der Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10.6.1954 herbeigeführt. In organisatorischer Hinsicht wird durch das Gesetz zur Einführung der Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Sozialversicherung und Angleichung des Rechts der Krankenversicherung im Lande Berlin (Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungs-Angleichungsgesetz Berlin - SKAG Berlin) vom 26.12.1957, übernommen in Berlin durch Gesetz vom 24.1.1958, die endgültige Anpassung an das Bundesrecht erzielt.

Das vom Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Bizone) verabschiedete Gesetz über die Anpassung von Leistungen der Sozialversicherung an das veränderte Lohn- und Preisgefüge und über ihre finanzielle Sicherung (Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz - SVAG) vom 17.6.1949 erhöht die Versicherungspflichtgrenze rückwirkend ab dem 1.6.1949 von 3.600 DM auf 4.500 DM jährlich, erhöht die für das Krankengeld geltende Grundlohnhöchstgrenze von 10 DM auf 12,50 DM täglich, sieht eine Halbierung der Beiträge zwischen Arbeitgeber und Versicherungspflichtigen vor und führt einen Finanzausgleich durch den Verband einer Kassenart für den Bezirk eines Oberversicherungsamtes und für den Bereich eines Landes, soweit die Beiträge nicht zur Deckung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Leistungen ausreichen, ein.

Die Entwicklung in der Bundesrepublik von 1949 bis zum Gesundheitsreformgesetz (1988)

Als eine der ersten Maßnahmen der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Sozialversicherung wird aufgrund des Art. 127 des Grundgesetzes durch die Verordnung der Bundesregierung vom 12.5.1950 das Sozialversicherungsrecht des Vereinigten Wirtschaftsgebietes auf die Länder Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern und den bayerischen Kreis Lindau und damit auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt.

Das Gesetz ber die Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung und zur Änderung der 12. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung (Einkommensgrenzengesetz) vom 13.8.1952 paßt die unverändert gebliebenen Versicherungspflichtgrenzen den Lohn- und Preisverhältnissen an. Die Versicherungspflichtgrenze für Angestellte, die gleichzeitig Beitrags- und Leistungsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, wird ab dem 1.9.1952 von 4.500 DM auf 6.000 DM jährlich heraufgesetzt.

Das Bundesversorgungsgesetz (20.12.1950), das Heimkehrergesetz (19.6.1950), das Lastenausgleichsgesetz (14.8.1952) und das Bundesvertriebenengesetz (19.5.1953) verpflichten die gesetzliche Krankenversicherung zur medizinischen Betreuung der Personengruppen, die von den Folgen des Krieges besonders stark betroffen sind. Auch das Schwerbeschädigtengesetz (16.6.1953) und das Körperbehindertengesetz (27.2.1957) vergrößern den in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personenkreis.

Das Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mütter (Mutterschutzgesetz) vom 24.1.1952 dehnt die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auch auf diejenigen erwerbstätigen Mütter aus, die keinen Anspruch nach der RVO haben. Gleichzeitig erfolgt eine Erhöhung der Wochen- und Stillgeldleistungen. Die Mehrausgaben werden durch den Bund übernommen.

Das Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten vom 23.7.1953 erlegt den Krankenkassen die Kosten der Maßnahmen auf, die der Heilung von Geschlechtskrankheiten dienen.

Am 1.8.1956 tritt das Dritte Gesetz über Änderungen und Ergänzungen von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung (Gesetz über Krankenversicherung der Rentner - KVdR) vom 12.6.1956 in Kraft. Es regelt die gesetzliche Krankenversicherung der Rentner neu.

Rentner werden nun echte Mitglieder der jeweiligen Krankenkasse und ihre Sicherung im Krankheitsfall wird damit eine originäre Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung. Personen, die die Voraussetzung für den Bezug einer Invalidenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder eines Ruhegeldes aus der Rentenversicherung der Angestellten erfüllen und die Rente bzw. das Ruhegeld beantragen, werden nun in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig, wenn sie während der letzten fünf Jahre vor Antragstellung wenigstens 52 Wochen in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren. Unter denselben Voraussetzungen werden auch Hinterbliebene von Arbeitern, Angestellten und Rentnern versicherungspflichtig, denen eine Hinterbliebenenrente zusteht und die sie beantragt haben. Nicht krankenversicherungspflichtige Rentner mit Einkommen bis zur Versicherungspflichtgrenze werden in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsberechtigt.

Zuständig für die Durchführung der (gesetzlichen) Krankenversicherung der Rentner werden die Orts-, Betriebs-, Innungs-, Land- und Ersatzkrankenkassen sowie die Seekrankenkasse. Die (gesetzliche) Krankenversicherung der Rentner ist für die versicherungspflichtigen Rentner beitragsfrei. Die Beiträge werden von den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung aufgebracht. Soweit diese die Aufwendungen der (gesetzlichen) Krankenversicherung der Rentner nicht decken, geht die Differenz zu Lasten der übrigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung.

Für nicht krankenversicherungspflichtige Rentner führt das Gesetz einen Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers zu den Beiträgen zur freiwilligen gesetzlichen und zur privaten Krankenversicherung ein. Dessen Höhe richtet sich nach dem Betrag, den die Rentenversicherungsträger durchschnittlich für jeden krankenversicherungspflichtigen Rentner aufwenden.

Das Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall (Lohnfortzahlungsgesetz) vom 26.6.1957 führt mit Wirkung vom 1.7.1957 zu einer Leistungsverbesserung für die Arbeiter im Krankheitsfall.

Das Krankengeld wird für die ersten sechs Wochen von 50 auf 65 Prozent des Grundlohns erhöht. Zuschläge für Familienangehörige können zu einem Krankengeld von bis zu 75 Prozent des Grundlohnes führen. Von den drei Karenztagen fällt einer fort, während für Arbeitsunfähigkeiten über zwei Wochen und Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten die Karenzzeit ganz aufgehoben wird. Gleichzeitig werden die Arbeitgeber in den ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit zur Zahlung eines Zuschusses in Höhe der Differenz zwischen dem Krankengeld und 90 Prozent des Netto-Arbeitsentgelts verpflichtet. Auch das Haus- und Stillgeld werden erhöht.

Das Vierte Gesetz über Änderungen und Ergänzungen von Vorschriften des 2. Buches der RVO (Zweites Einkommensgrenzengesetz) vom 27.7.1957 erhöht die Versicherungspflichtgrenze ab 1.10.1957 auf 7.920 DM jährlich.

In der Regierungserklärung vom 29.10.1957 erklärt die Bundesregierung, eine Neuregelung der gesetzlichen Krankenversicherung vornehmen zu wollen. Sie legt den Entwurf eines Krankenversicherungsneuregelungsgesetzes (KVNG) vor. Im Februar 1961 werden die parlamentarischen Beratungen alledings abgebrochen. Der Versuch einer Neuregelung ist gescheitert. Einen 2. Versuch startet die Bundesregierung im Juli 1962. Auch dieser Reformversuch scheitert.

Das Lohnfortzahlungsgesetz vom 26.6.1957 wird durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall vom 12.7.1961 geändert. Der Arbeitgeberzuschuß zum Krankengeld erhöht sich auf die Differenz zwischen dem Krankengeld und 100 Prozent des Nettolohnes. Wenn die Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruht, wird das Krankengeld künftig für bis zu 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren gezahlt. Die Karenztage zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit werden auf einen verringert. Das Krankengeld wird nach Ablauf der sechsten Woche in bisheriger Leistungshöhe (mind. 65 Prozent des Grundlohnes) für die gesamte Leistungsdauer fortgezahlt.

Das Gesetz zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der Reichsversicherungsordnung (Mutterschutznovelle) vom 24.8.1965 enthält eine Neuregelung der Mutterschaftshilfe, die an Stelle der Wochenhilfe tritt. Aufgrund der angespannten Haushaltslage des Bundes treten einige Bestimmungen des Gesetzes bereits am 1.1.1966, andere erst am 1.1.1968 in Kraft. Die Versicherungspflichtgrenze wird durch dieses Gesetz bereits ab dem 1.9.1965 auf 10.800 DM jährlich angehoben.

Ab 1.1.1966 wird die Schutzfrist nach der Entbindung auf acht, bei Früh- und Mehrlingsgeburten auf 12 Wochen verlängert und besteht ein Anspruch der krankenversicherungspflichtigen Frauen auf Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft. Die Verpflichtung des Bundes, den Krankenkassen für jeden Entbindungsfall einen Zuschuß von 50 DM zu gewähren, fällt weg.

Durch das Erste Gesetz zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung (Finanzplanungsgesetz) vom 23.12.1966 werden mit Wirkung vom 1.1.1967 alle Angestellten ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Einkommens arbeitslosenversicherungspflichtig. Im Falle einer Arbeitslosigkeit finden damit auf sie die Bestimmungen über die Krankenversicherung der Arbeitslosen Anwendung. Danach sind Arbeitslose Mitglieder des Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung, dem sie im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung angehören. Im übrigen sind sie grundsätzlich Mitglieder der AOK oder der zuständigen Landkrankenkasse. Die Beiträge werden von der Bundesanstalt für Arbeit getragen. Diese erstattet der Krankenkasse außerdem die Aufwendungen für Kranken-, Haus- und Taschengeld.

Wesentliche Änderungen für die (gesetzliche) Krankenversicherung der Rentner bringt das Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil (Finanzänderungsgesetz 1967) vom 21.12.1967. Pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung ist ab dem 1.1.1968 jeder, der eine Rente beantragt und die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente erfüllt. Die Rentner haben sich mit zwei Prozent ihrer Rente an den Aufwendungen der Rentenversicherungsträger für die (gesetzliche) Krankenversicherung der Rentner zu beteiligen. Darüber hinaus wird allen Rentnern in der Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.1968 eine Beitrittsmöglichkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung eröffnet. Der Arzneikostenanteil wird von 0,50 DM auf 1 DM erhöht.

Das Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung ((Erstes) Krankenversicherungsänderungsgesetz - (1.) KVÄG) vom 27.7.1969 räumt mit Wirkung vom 1.1.1970 Arbeitern einen Rechtsanspruch gegen ihre Arbeitgeber auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen ein und stellt damit Arbeiter und Angestellte gleich.

Gleichzeitig bringt es eine entscheidende strukturelle Änderung der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Risiko der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit wird von der Versichertengemeinschaft weitgehend auf die Arbeitgeber verlagert. Die gesetzliche Krankenversicherung wird damit von einer ihrer wichtigsten Aufgaben entlastet.

Es erhöht außerdem die für Angestellte geltende Versicherungspflichtgrenze vom 1.8. bis zum 31.12.1969 auf 11.800 DM und ab dem 1.1.1970 auf 14.400 DM pro Jahr. Eine neue Bestimmung in der RVO sieht vor, daß sich bei jeder Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze davon betroffene Privatversicherte von der Versicherungspflicht befreien lassen können.

Eine Krankenscheinprämie wird eingeführt. Der Versicherte erhält für jedes Kalendervierteljahr, in dem er mindestens 60 Tage versichert war und keinen Krankenschein gelöst, keine Krankenhauspflege in Anspruch genommen und weder Kostenerstattung noch Abgeltung erhalten hat, 10 DM, jedoch höchstens 30 DM für ein Kalenderjahr.

Die Bestimmung, die für die Inanspruchnahme ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen die Verwendung eines Krankenscheins vorschreibt, wird auf die Ersatzkassen ausgedehnt. Damit gilt das Sachleistungsprinzip nun auch für die Mitglieder der Ersatzkassen.

Der Rentnerbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung wird durch das Gesetz über den Wegfall des von Rentnern für ihre Krankenversicherung getragenen Beitrags vom 14.4.1970 rckwirkend ab dem 1.1.1970 gestrichen.

Das Gesetz zur Weiterentwicklung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Zweites Krankenversicherungsänderungsgesetz - 2. KVÄG) vom 21.12.1970 erhöht ab dem 1.1.1971 die Versicherungspflichtgrenze auf 75 Prozent der seit 1957 jährlich an die Lohn- und Gehaltsentwicklung angepaßten Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Damit werden fast 60 Prozent der damals rund 7,1 Millionen Angestellten versicherungspflichtig.

Die Angestellten erhalten einen Anspruch gegen ihre Arbeitgeber auf einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag, wenn sie in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig oder bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind und dort einen der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe entsprechenden Versicherungsschutz genießen. Angestellte, die wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze versicherungsfrei sind, und Rentner können bis zum 31.3.1971 der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beitreten. Berufsanfänger, die ein über der Versicherungspflichtgrenze liegendes Gehalt beziehen, erhalten in den ersten drei Monaten nach Aufnahme ihrer Beschäftigung die Möglichkeit, der gesetzlichen Krankenversicherung beizutreten.

Darber hinaus wird der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung um eine neue Leistungsart, nämlich die Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten erweitert. Ab 1.7.1971 können Kinder bis zur Vollendung des 4. Lebensjahres zur Früherkennung von Krankheiten, die eine normale körperliche oder geistige Entwicklung in besonderem Maße gefährden, untersucht werden und können sich Frauen vom Beginn des 30. Lebensjahres und Männer vom Beginn des 45. Lebensjahres einmal jährlich zur Früherkennung von Krebserkrankungen untersuchen lassen.

Die in den Jahren 1968 und 1969 von den Rentnern einbehaltenen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung werden nach dem Gesetz über die Rückzahlung der einbehaltenen Beiträge zur (gesetzlichen) Krankenversicherung der Rentner vom 15.3.1972 zurückgezahlt.

Das Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) vom 10.8.1972 tritt am 1.10.1972 in Kraft und führt für die selbständigen Landwirte, ihre mitarbeitenden Familienangehörigen und die Altenteiler die gesetzliche Versicherungspflicht ein. Damit wird in die Versicherungspflicht zum ersten Mal ein ganzer Berufsstand Selbständiger einbezogen.

Mit dem KVLG werden 19 landwirtschaftliche Krankenkassen bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften gebildet. Die Landkrankenkassen werden mit ihnen vereinigt. Die Mitglieder der Landkrankenkassen werden teilweise in die landwirtschaftlichen Krankenkassen, teilweise in die Ortskrankenkassen überführt.

Am 1.1.1974 tritt das Gesetz zur Verbesserung von Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Leistungsverbesserungsgesetz - KLVG) vom 19.12.1973 in Kraft. Es führt einen Rechtsanspruch auf zeitlich unbegrenzte Krankenhauspflege, die Übernahme der Kosten für die Weiterführung des Haushaltes (Haushaltshilfe), wenn der Versicherte oder sein Ehegatte stationär behandelt wird, nicht selbst oder durch eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt weiterführen kann und dort ein Kind lebt, das nicht älter als acht Jahre oder behindert ist, und die Zahlung von Krankengeld für bis zu 5 Tage im Jahr, wenn der Versicherte aufgrund eines ärztlichen Zeugnisses der Arbeit fernbleiben muß, um ein erkranktes Kind unter acht Jahren zu beaufsichtigen, zu betreuen oder zu pflegen, ein. Die Vorschriften über die Krankenscheinprämie werden aufgehoben.

Das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7.8.1974 tritt am 1.10.1974 in Kraft und bezieht die gesetzliche Krankenversicherung in den Kreis der Rehabilitationsträger ein. Sie wird verpflichtet, ihren Versicherten alle medizinischen Leistungen zur Rehabilitation zu gewähren, soweit nicht ein anderer Träger zuständig ist.

Mit dem Gesetz über die Sozialversicherung der Behinderten vom 7.5.1975 werden ab dem 1.7.1975 rund 45.000 Behinderte in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen. Dies führt zu einer erheblichen Entlastung der Sozialhilfe und zu einer entsprechenden Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Das Gesetz über die Krankenversicherung der Studenten (KSVG) vom 24.6.1975 führt für eingeschriebene Studenten und für Praktikanten die Versicherungspflicht ein. Von der Versicherungspflicht können diejenigen Studenten und Praktikanten befreit werden, die bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind und für sich und ihre Angehörigen, für die ihnen Familienhilfe zusteht, Vertragsleistungen erhalten, die der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe mit Ausnahme des Krankengeldes entsprechen.

Als flankierende Maßnahme zur Reform der strafrechtlichen Vorschriften über den Schwangerschaftsabbruch führt der Gesetzgeber mit dem Gesetz über ergänzende Maßnahmen zum Fünften Strafrechtsreformgesetz (Strafrechtsreform-Ergänzungsgesetz - StREG) vom 28.8.1975 Leistungen im Zusammenhang mit straffrei gestellten Sterilisationen und Schwangerschaftsabbrüchen ein.

Mit dem Sozialgesetzbuch (SGB) - Allgemeiner Teil - (AT-SGB) vom 11.12.1975 wird der erste Schritt zur Zusammenfassung und Vereinheitlichung des Sozialrechts in einem Gesetzbuch verwirklicht. Es tritt im wesentlichen am 1.1.1976 in Kraft.

Das Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes und des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 18.8.1976 gewährt einen Familienhilfeanspruch für Jugendliche, die zwar das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 23. Lebensjahr vollendet haben und nicht ausgebildet sind oder keinen Arbeitsplatz erhalten. Die damit verbundenen Kosten übernimmt der Bund.

Mit dem Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - vom 23.12.1976 kann der Bundestag nach dem AT-SGB einen weiteren Bereich im Rahmen der Kodifikation des Sozialgesetzbuches abschließend neu regeln. Es tritt im allgemeinen am 1.7.1977 in Kraft.

Das Gesetz zur Weiterentwicklung des Kassenarztrechts (Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz - KVWG) vom 28.12.1976 enthält zwar im wesentlichen Änderungen des Kassenarztrechts, aber auch einige Ergänzungen der Vorschriften über die Mutterschaftshilfe sowie die Betriebs- und Innungskrankenkassen.

Das Gesetz zur Zwanzigsten Rentenanpasssung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (20. Rentenanpassungsgesetz - 20. RAG) vom 27.6.1977 kürzt ab dem 1.7.1977 die Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherug zur (gesetzlichen) Krankenversicherung der Rentner von zur Zeit rund 17 Prozent auf 11 Prozent der Rentenausgaben. Dieser Zuschuß soll künftig individuell vom monatlichen Rentenzahlbetrag berechnet und auf die tatsächliche Höhe des Krankenversicherungsbeitrags begrenzt werden.

Das ebenfalls am 1.7.1977 in Kraft tretende Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz - KVKG) vom 27.6.1977 versucht, die durch die Kürzung des Beitrags der gesetzlichen Rentenversicherung zur (gesetzlichen) Krankenversicherung der Rentner zukommende Mehrbelastung möglichst auszugleichen. Es schränkt die seit dem 1.1.1968 grundsätzlich gegebene Krankenversicherungspflicht der Rentner wieder ein, schafft erneut die damals überflüssig gewordene Krankenversicherungsberechtigung der Rentner, begrenzt die Familienhilfe, nimmt Änderungen im Leistungs- und Beitragsrecht vor, führt die "Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen" ein und erweitert den Mitgliederkreis der Ersatzkassen.

Personen, die ab dem 1.7.1978 die Rente beantragen, sind nur dann krankenversicherungspflichtig, wenn sie während des Erwerbslebens - frühestens ab dem 1.1.1950 - mindestens zur Hälfte dieser Zeit gesetzlich krankenversichert waren. Wer danach nicht versicherungspflichtig ist, kann sich freiwillig mit Beitragszahlungen nach seinem Einkommen versichern. Er erhält von seinem Rentenversicherungsträger einen Zuschuß von 11 Prozent seiner Rente. Die Rentenversicherungsträger messen künftig 11,7 Prozent des Rentenzahlbetrages - vermindert um die Beitragszuschüsse - zu den Aufwendungen der Krankenversicherung für pflichtversicherte Rentner an die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zahlen. Dazu wird ein Verfahren zur gleichmäßigen Verteilung der Aufwendungen vorgesehen, damit sich ein hoher Rentneranteil nicht zum Nachteil einer Krankenkasse auswirkt.

Im Leistungsrecht macht das KVKG den Anspruch auf Familienhilfe von den Einkommensverhältnissen der Familienangehörigen und bei Kindern von denen des Ehegatten abhängig, dehnt die Verordnungsblattgebühr für Arznei-, Verband- und Heilmittel auf Rentner, Studenten, Schwerbehinderte, Kranken- und Übergangsgeldbezieher aus, schließt Arznei-, Verband- und Heilmittel, die bei geringfügigen Gesundheitsstörungen verordnet werden, von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung aus, begrenzt den Zuschuß der gesetzlichen Krankenversicherung für die Kosten von Zahnersatz und -kronen auf höchstens 80 Prozent. Bei der Krankenhauspflege wird die Wahl der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung auf die Vertragskrankenhäuser beschränkt. Wird ohne zwingenden Grund ein anderes als eines der nächsterreichbaren geeigneten Vertragskrankenhäuser in Anspruch genommen, so hat der Versicherte die Mehrkosten zu tragen. Die häusliche Krankenpflege (bisher Hauspflege) wird zur Pflichtleistung. Die Kosten der Haushaltshilfe werden nicht mehr erstattet, wenn diese von einem Verwandten oder Verschwägerten bis zum zweiten Grad erbracht wird.

Darber hinaus wird die "Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen" gebildet. In ihr sind die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, die Unternehmen der privaten Krankenversicherung, die Äzte, die Zahnärzte, die Krankenhäuser, die Apotheker, die pharmazeutische Industrie, die Gewerkschaften, die Arbeitgeber, die Länder und die Kommunen vertreten. Sie besteht aus 72 Teilnehmern, die erstmals am 12.12.1977 zusammentreten. Sie hat die Aufgabe, medizinische und wirtschaftliche Orientierungsdaten und Vorschläge zur Rationalisierung, Erhöhung der Effektivität und Effizienz im Gesundheitswesen zu entwickeln. Dabei ist von der Zielvorstellung auszugehen, daß eine dem medizinischen Wissensstand entsprechende bedarfsgerechte Versorgung und eine ausgewogene Verteilung der Belastungen erreicht werden soll. Die Konzertierte Aktion hat dazu einmal jährlich jeweils bis zum 31. März Empfehlungen abzugeben.

Der Mitgliederkreis der Ersatzkassen wird durch eine Ergänzung der 12. Aufbauverordnung unter anderem um krankenversicherungspflichtige Rentner erweitert. Das KVKG erklärt außerdem die Vorschriften der RVO über den Finanzausgleich, die Arzneimittelversorgung, die Weiterversicherungsberechtigung nach der Beendigung der Krankenversicherungspflicht als Rentner und die Beitragsbemessung auf Ersatzkassen für anwendbar.

Wesentliche Vorschläge der Bundesregierung sind durch das KVKG nicht Gesetz geworden. Dazu gehören die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze und die kostendämpfenden Maánahmen im Krankenhauswesen.

Durch das 21. Rentenanpassungsgesetz vom 25.7.1978 sollen Überzahlungen an die Krankenkassen durch Festsetzung der Ausgaben der Rentenversicherung für die (gesetzliche) Krankenversicherung der Rentner auf 11 Prozent der Rentenausgaben ausgeschlossen werden. Außerdem werden Grundsätze für eine Neuordnung der (gesetzlichen) Krankenversicherung der Rentner ab 1982 festgelegt.

Das Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25.6.1979 ergänzt das Mutterschutzgesetz ab dem 1.7.1979 um einen Mutterschaftsurlaub, der sich an die sechs Wochen vor der Entbindung beginnenden und acht, bei Mehrlingsgeburten zwölf Wochen danach endenden Mutterschutzfristen anschließt und bis zur Vollendung des sechsten Lebensmonats des Kindes dauert. Ihn und das damit verbundene Mutterschaftsgeld können abhängig beschäftigte Frauen beanspruchen. Während des Bezuges von Mutterschaftsgeld besteht Beitragsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Das Gesetz über die Verwaltung der Mittel der Träger der Krankenversicherung (KVMG) vom 15.12.1979 tritt am 1.1.1980 in Kraft. Das Gesetz regelt die Verwaltung der finanziellen Mittel sowie deren Verwendung durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung neu und bestimmt, daß keine weiteren als die notwendigen Mittel angesammelt werden dürfen und der Beitragssatz grundsätzlich nur zu Beginn des Haushaltsjahres geändert werden darf. Die Vorschriften gelten auch für die Ersatzkassen.

Das KVMG regelt auch die Versicherung der unständig Beschäftigten in der gesetzlichen Krankenversicherung neu. Hierzu gehören Schlachthof- und Hausmetzger, Hafenarbeiter und ähnliche Personen sowie freie Mitarbeiter von Fernseh- und Rundfunkanstalten. Bei Versicherungspflicht werden sie wie bisher grundsätzlich Mitglied der für ihren Wohnort zuständigen Ortskrankenkasse, können aber bei Erfüllung der Voraussetzungen statt dessen einer Ersatzkasse angehören. Die Bestimmungen, nach denen der Gemeindeverband den Arbeitgeberanteil zu tragen hat und diesen auf die Einwohner, vor allem auf die Arbeitgeber unständig Beschäftigter, umlegen kann und die für die Ersatzkassen nicht anwendbar sind, werden aufgehoben.

Unternehmer der Seen- und Flußfischerei sowie ihre mitarbeitenden Familienangehörigen mit einem Arbeitsbedarf von jährlich wenigstens 120 Arbeitstagen und solche der Imkerei mit mindestens 100 Bienenvölkern werden durch das Zweite Gesetz zur Verbesserung und Ergänzung sozialer Maßnahmen in der Landwirtschaft (2. Agrarsoziales Ergänzungsgesetz - 2. ASEG) vom 9.7.1980 versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Landwirte. Die Voraussetzungen für die Krankenversicherungspflicht der Zuerwerbslandwirte werden verschärft.

Das Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren vom 18.8.1980 setzt die untere Altersgrenze für den Anspruch auf Früherkennungsuntersuchungen für Frauen vom Beginn des 30. auf den des 20. Lebensjahres herab.

Die Entwicklung, möglichst weite Teile der Bevölkerung in den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen, findet ihren Abschluß mit dem Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten vom 27.7.1981, das diese ab dem 1.1.1983 versicherungspflichtig macht. Der gesetzlichen Krankenversicherung gehören nun rund 90 Prozent der Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik an.

Das Gesetz über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1982 (Rentenanpassungsgesetz 1982 - RAG 1982) vom 1.12.1981 löst die Pauschalzahlung der Rentenversicherungsträger an die Krankenkassen durch Einführung eines Krankenversicherungsbeitrages des einzelnen Rentners in Höhe von 11,8 Prozent des Rentenzahlbetrages zum 1.1.1983 ab. Ein Zuschuß des Rentenversicherungsträgers zur Rente in gleicher Höhe gestaltet den aufgrund der Rente zu zahlenden Beitrag zunächst belastungsneutral. Mit dem halben Beitragssatz der jeweiligen Krankenkasse werden die der Rente vergleichbaren Einkommen (Versorgungsbezüge) und Arbeitseinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze herangezogen. Für Pflichtmitglieder in der (gesetzlichen) Krankenversicherung der Rentner, die durch die Neuregelung zur Beitragsentrichtung aus Versorgungsbezügen oder aus Arbeitseinkommen aufgrund einer selbständigen Tätigkeit herangezogen werden, besteht eine unwiderrufliche Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungspflicht unter der Voraussetzung, daß ein den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechender Krankenversicherungsschutz bei einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung nachgewiesen wird.

Als weitere Kostendämpfungsgesetze folgen das Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung (BillBG) vom 15.12.1981, das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz - AFKG) vom 22.12.1981, das Zweite Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (2. Haushaltsstrukturgesetz) vom 22.12.1981 und das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetz) vom 22.12.1981. Diese Gesetze sehen ab dem 1.1.1982 unter anderem vor, daß bei mehreren für die Gewährung der Familienkrankenhilfe in Betracht kommenden Krankenkassen diejenige des Versicherten leistungspflichtig ist, für den im letzten Monat vor Eintritt des Leistungsfalles der höhere Beitrag zu entrichten war, daß Beschäftigungen nur noch dann sozialversicherungsfrei bleiben, wenn sie regelmäßig weniger als 15 Wochenstunden dauern und das monatliche Arbeitsentgelt regelmäßig den festen Betrag von 390 DM nicht übersteigt, und daß der Bundeszuschuß sowohl für gesetzlich als auch privat krankenversicherte Studenten spätestens ab dem 1.4.1982 entfällt. Gleichzeitig wird der Beitragssatz für krankenversicherungspflichtige Studenten auf sieben Zehntel des durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatzes der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung erhöht.

Das Gesetz zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung (Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz - KVEG) vom 22.12.1981 schränkt das Beitrittsrecht Schwerbehinderter zur gesetzlichen Krankenversicherung ein, erhöht die Verordnungsblattgebühr von 1 DM auf 1,50 DM je Arznei- und Verbandmittel und auf 4 DM je Heilmittel, führt bei Brillen eine Verordnungsblattgebühr von 4 DM ein und enthält die Ermächtigung an das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, durch Rechtsverordnung zu regeln, welche für geringfügige Gesundheitsstörungen bestimmte Arznei-, Verband- und Heilmittel nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen. Anspruch auf eine neue Brille besteht bei gleichbleibender Sehfähigkeit nach vollendetem 14. Lebensjahr nur noch alle drei Jahre. Die zahnärztlichen Leistungen bei der Versorgung mit Zahnersatz oder -kronen werden zur Sachleistung. Die satzungsgemäß zu bestimmenden Zuschüsse zu den Kosten der zahntechnischen Leistungen werden auf 60 Prozent begrenzt. Die Altersgrenze für die Familienhilfe für Kinder ohne Ausbildungs- und Arbeitsplatz wird vom vollendeten 23. auf das 19. Lebensjahr herabgesetzt. Der Bundeszuschuß, den die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung für jedes aufgrund der erwähnten Voraussetzungen in die Familienhilfe einbezogene Kind bisher erhalten, entfällt mit dem 31.12.1981.

Das Gesetz zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) vom 20.12.1982 führt eine Beteiligung der Rentner an den Kosten ihrer Krankenversicherung ein. Der Eigenbetrag der Rentner beträgt ab 1.7.1983 ein Prozent, ab 1.1.1984 drei Prozent und ab 1.1.1985 fünf Prozent der Rente. Hiervon unberührt bleibt die bereits im Rentenanpassungsgesetz 1982 beschlossene Einführung eines Krankenversicherungsbeitrags für zusätzliche Alterseinkommen, wonach Rentner ab 1.1.1983 für sonstige Versorgungsbezüge, die sie neben ihrer Rente beziehen, Beiträge zur Krankenversicherung von ca. sechs Prozent zu zahlen haben. Zur Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung wird die Verordnungsblattgebühr je verordnetem Arzneimittel von 1,50 DM auf 2 DM angehoben, werden bestimmte Arzneimittel für "geringfügige Gesundheitsstörungen" (insbesondere Arzneimittel für Erkältungs- und Grippekrankheiten) von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen, wird eine Zuzahlung des Versicherten beim Krankenhausaufenthalt von 5 DM je Tag für längstens 14 Tage im Kalenderjahr und bei von der Krankenkasse voll finanzierten Kuren von 10 DM je Tag eingeführt. Kinder unter 18 Jahren sind von dieser Zuzahlungsregelung ausgenommen. Zur Vermeidung an sich erforderlicher Krankenhauspflege kann die Kassensatzung neben häuslicher Krankenpflege Haushaltshilfe vorsehen, wenn eine im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann.

Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22.12.1983 werden Lohnersatzleistungen wie z. B. Krankengeld ab 1.1.1984 grundsätzlich in die Beitragspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung einbezogen. Ferner wird einmalig gezahltes Arbeitsentgelt in die Beitragspflicht zur Krankenversicherung hineingenommen. Im Bereich des Mutterschaftsurlaubs wird das kalendertägliche Mutterschaftsgeld von 25 DM auf 17 DM herabgesetzt.

Das Gesetz zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung (Krankenhaus-Neuordnungsgesetz) vom 20.12.1984 führt eine vertraglich zu regelnde vertrauensärztliche Überprüfung der Notwendigkeit und der Dauer der Krankenhauspflege in geeigneten Fällen ein.

Am 1.1.1986 tritt das Gesetz ber die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) vom 6.12.1985 in Kraft. Es hebt die Bestimmungen über den Mutterschaftsurlaub im Mutterschutzgesetz auf und führt ein Erziehungsgeld von 600 DM monatlich auf Kosten des Bundes ein, das für die Zeit von der Geburt des Kindes bis zur Vollendung des zehnten, bei nach dem 31.12.1987 geborenen Kindern bis zur Vollendung des zwölften Lebensmonats gezahlt wird. Vom Beginn des siebten Lebensmonats an erfolgt die Anrechnung des einen bestimmten Freibetrag überschreitenden Einkommens der Eltern. Während des Erziehungsgeldbezugs haben Arbeitnehmer, Auszubildende und Beamte grundsätzlich einen Anspruch auf Erziehungsurlaub, währenddessen der Arbeitgeber nicht kündigen darf. Dieser Anspruch besteht auch für den Zeitraum, für den infolge Überschreitens der Einkommensgrenze kein Erziehungsgeld gezahlt wird. Während der Dauer des Erziehungsurlaubs besteht in der gesetzlichen Krankenversicherung Beitragsfreiheit.

Das Gesetz zur finanziellen Sicherung der Künstlersozialversicherung vom 16.12.1987 löst die Knstlersozialkasse als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts auf. Ihre Aufgaben gehen ab dem 1.1.1988 auf die Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen über.

Das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheitsreformgesetz - GRG) vom 20.12.1988 tritt am 1.1.1989 in Kraft. Es löst die krankenversicherungsrechtlichen Regelungen im Zweiten Buch der RVO ab und kodifiziert sie als Fünftes Buch des Sozialgesetzbuchs neu. Nach 75 Jahren bildet damit nicht mehr die RVO, sondern das SGB die Rechtsgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung. Aus den bisherigen RVO-Kassen werden Primärkassen.

In der RVO verbleiben die Vorschriften über die Leistungen bei Schwangerschaft und die Sonstigen Hilfen (Sterilisation/Schwangerschaftsabbruch) sowie sie betreffende Regelungen im Kassenarztrecht. Ferner enthält die RVO noch Vorschriften über Angestellte eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. einer Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Dienstordnungs-Angestellte).

Für Arznei- und Hilfsmittel werden Festbeträge festgesetzt. Für Medikamente, für die es noch keine Festbeträge gibt, wird die Verordnungsblattgebühr von zwei DM auf drei DM erhöht. Ab dem 1.1.1992 ist eine Zuzahlung von 15 Prozent, höchstens 15 DM je Mittel vorgesehen. Unwirtschaftliche Arznei-, Heil- und Hilfsmittel können durch Rechtsverordnung von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen werden. Die Zuzahlung für Heilmittel wird von 4 DM auf 10 Prozent der Kosten erhöht.

Für medizinisch begründete Fahrkosten zu und von stationären Behandlungen und beim Transport in Rettungsfahrzeugen und Krankentransportwagen wird die Zuzahlung von 5 DM auf 20 DM angehoben. Die medizinisch notwendigen Fahrkosten anläßlich einer ambulanten Behandlung wurden bisher, soweit sie für die einfache Fahrt 5 DM überstiegen, übernommen. Diese Kosten müssen nun vom Versicherten selbst getragen werden.

Minderjährige, Versicherte mit Einkommen unterhalb bestimmter Einkommensgrenzen (Sozialklausel) und chronisch Kranke (Überforderungsklausel) sind von den genannten Zuzahlungen ganz oder teilweise befreit.

Eine neue Brille gibt es nur noch, wenn sich die Sehstärke um mindestens 0,5 Dioptrien verändert hat. Für Kinder bis zu 14 Jahren gilt diese Einschränkung nicht. Bis auch für die Brillen Festbeträge festgesetzt sind, zahlen die Krankenkassen einen Zuschuß von 20 DM für das Brillengestell. Bisher waren es 40 DM.

Beim Zahnersatz wird der Zuschuß bei einfachem Zahnersatz auf 70 Prozent, bei mittlerem Zahnersatz auf 60 Prozent und bei aufwendigem Zahnersatz auf 50 Prozent begrenzt. Bis Krankenkassen und Zahnärzte festgelegt haben, was einfacher, mittlerer und aufwendiger Zahnersatz ist, beträgt der Zuschuß 60 Prozent. Wird auf die jährliche Zahnvorsorge verzichtet, entfällt ab dem 1.1.1991 der in diesen Zuschüssen enthaltene Bonus von 10 Prozent. Wer künftig mehr als zehn Jahre Zahnvorsorge betrieben hat, erhält einen zusätzlichen Bonus von 5 Prozent. Der Krankenkassenzuschuß kann sich also auf bis zu 75 Prozent erhöhen. Bei kieferorthopädischer Behandlung werden zunächst nur 80 Prozent der Kosten bernommen. Den Eigenanteil erhält der Versicherte erstattet, wenn die Behandlung abgeschlossen ist.

Der in der jeweiligen Satzung zu regelnde Zuschuß der Krankenkassen bei offenen Badekuren wird auf höchstens 15 DM täglich begrenzt. Für eine Kur in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung bleibt es bei der Zuzahlung von 10 DM pro Tag.

Kinder und Jugendliche vom 12. bis zum 20. Lebensjahr können sich zur Verhütung von Zahnerkrankungen einmal im Kalenderhalbjahr zahnärztlich untersuchen lassen. Bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (bisher: 4. Lebensjahr) haben Kinder Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die ihre körperliche oder geistige Entwicklung gefährden.

Die Zuzahlung für die ersten 14 Tage bei einem Krankenhausaufenthalt wird ab dem 1.1.1991 auf 10 DM pro Tag erhöht. Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als die in der ärztlichen Einweisung genannten zwei Krankenhäuser, können sie mit den Mehrkosten ganz oder teilweise belastet werden.

Im Ausland entstandene Behandlungskosten werden nur in bestimmten Ausnahmefällen erstattet. Eine Urlaubsreise gilt nicht als Ausnahmefall.

Neu in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung werden Leistungen bei häuslicher Pflege von Schwerpflegebedrftigen aufgenommen. Ab 1.1.1989 besteht ein Anspruch auf die Übernahme der Kosten der Pflege bis zu vier Wochen je Kalenderjahr, wenn die Pflegeperson verhindert ist. Die Kosten sind auf 1.800 DM pro Jahr begrenzt. Ab dem 1.1.1991 übernehmen die Krankenkassen die Kosten für bis zu 25 Stunden Pflege im Wert von bis zu 750 DM pro Monat. Alternativ kann eine Geldleistung (Pflegegeld) von 400 DM im Monat in Anspruch genommen werden.

Der Katalog der Vorsorgeuntersuchungen wird um Untersuchungen auf Herz-, Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie Diabetes erweitert. Versicherte, die das 35. Lebensjahr vollendet haben, haben alle zwei Jahre Anspruch auf diese Untersuchungen.

Die Kassen erhalten die Möglichkeit, eine Beitragsrückgewähr von bis zu einem Monatsbeitrag vorzusehen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfungen werden verbessert und durch Stichprobenprüfungen ergänzt. Der Vertrauensärztliche Dienst bei den Rentenversicherungsträgern wird zu einem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung umgestaltet. Sterbegeld wird nur noch für die am 1.1.1989 versicherten Personen gezahlt. Im Todesfall eines Mitgliedes werden 2.100 DM, eines Familienversicherten 1.050 DM an die Hinterbliebenen gezahlt.

Die Versicherungspflichtgrenze gilt künftig auch für Arbeiter. Die Möglichkeit zum freiwilligen Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung wird neu geregelt. So sind zum Beispiel selbständige Gewerbetreibende (z. B. Handwerker) und Rentner, die nicht pflichtversichert sind, ab dem 1.1.1989 nicht mehr beitrittsberechtigt. Nicht mehr versicherungspflichtig sind unter anderem Hausgewerbetreibende, selbständige Lehrer und Erzieher und freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger.

Ab dem 1.7.1989 zahlen pflichtversicherte Rentner nicht mehr die Hälfte eines gesetzlich festgelegten, sondern des durchschnittlichen Beitragssatzes. Die andere Hälfte zahlt wie bisher der Rentenversicherungsträger. Voraussetzung für die Krankenversicherungspflicht als Rentner ist eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung während wenigstens neun Zehntel der zweiten Hälfte der Zeit von der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags.

Der im Herbst 1985 vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung berufene Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen erhält eine gesetzliche Grundlage.

Das Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 30.6.1989 verlängert den Bezug von Erziehungsgeld bzw. den Erziehungsurlaub bei nach dem 30.6.1989 geborenen Kindern bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats und bei nach dem 30.6.1990 geborenen Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats. Nach wie vor besteht für die Dauer des Erziehungsurlaubs Beitragsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Am 1.1.1990 tritt die Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 13.12.1989 in Kraft. Sie schließt eine Verordnung von Hilfsmitteln mit geringem oder umstrittenen Nutzen oder geringem Preis sowie für Versicherte nach vollendetem 18. Lebensjahr die Instandsetzung von Brillengestellen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung aus.

Die Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.2.1990 tritt am 1.7.1991 in Kraft. Die Verordnung bezweckt den Ausschluß unwirtschaftlicher Arzneimittel aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.

Nach Öffnung der Grenze zwischen der Bundesrepiblik und der DDR in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 wird am 18.5.1990 der Vertrag über die Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR unterzeichnet. Er tritt am 1.7.1990 in Kraft.

In Artikel 18 dieses Vertrages wird geregelt, daß die DDR ein mit Ausnahme der Unfallversicherung je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern beitragsfinanziertes gegliedertes Sozialversicherungssystem mit Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts unter der Rechtsaufsicht des Staates einführt, wobei die Renten-, Kranken- und Unfallversicherung unter getrennter Erfassung der Einnahmen und Ausgaben zunächst von einem gemeinsamen Träger durchgefhrt und möglichst bis zum 1.1.1991 für die einzelnen Sozialversicherungszweige eigenständige Versicherungsträger gebildet werden sollten. Für die Übergangszeit kann nach dem genannten Artikel die bestehende umfassende Sozialversicherungspflicht beibehalten werden, wobei für Selbständige und freiberuflich Tätige bei Nachweis einer ausreichenden anderweitigen Sicherung eine Befreiung vorgesehen werden sollte. Diese Bestimmungen werden durch das Gesetz über die Sozialversicherung - SVG vom 28.6.1990 in der DDR umgesetzt.

In dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 wird festgelegt, daß dem SGB V ein KapitelÜberleitungsregelungen aus Anlaß der Herstellung der Einheit Deutschlands angefügt wird. In diesem Kapitel wird bestimmt, daß das SGB V am 1.1.1991 in den neuen Bundesländern und in Ostberlin weitgehend in Kraft tritt.

Die Zuständigkeit für die gesetzliche Krankenversicherung wechselt am 24.1.1991 vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zum Bundesminister für Gesundheit (BMG).

Das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 6.12.1991 verlängert für Kinder, die nach dem 31.12.1992 geboren werden, die Dauer des Anspruchs auf Erziehungsgeld bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats. Zur Betreuung von Kindern, die nach dem 31.12.1991 geboren sind, verlängert es die Dauer des Anspruchs auf Erziehungsurlaub bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats. Die Beitragsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt erhalten.

Das Zweite Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 20.12.1991 tritt am 1.1.1992 in Kraft. Es verlängert die zunächst bis zum 31.12.1991 befristete Zuzahlung von drei DM, in den neuen Bundesländern von 1,50 DM je Arznei- und Verbandmittel, für das ein Festbetrag noch nicht existiert, bis zum 30.6.1993. Fr die demgemäß bis zum 1.7.1993 aufgeschobene Zuzahlung von 15 Prozent zum Preis der genannten Mittel wird eine Untergrenze von eine DM und eine Obergrenze von 10 DM eingeführt. Die Altersgrenze für ein während stationärer oder ambulanter Heilbehandlung des Versicherten im Haushalt zu betreuendes Kind als Voraussetzung für die Gewährung von Haushaltshilfe wird vom vollendeten 8. auf das vollendete 12. Lebensjahr heraufgesetzt. Die gleiche Erhöhung der Altersgrenze gilt als Voraussetzung für die Gewährung von Krankengeld zur Pflege eines erkrankten Kindes. Auch die Dauer des Krankengeldbezugs wird je Kind und Kalenderjahr von bisher fünf auf zehn, für Alleinerziehende auf 20 Arbeitstage erhöht. Bei mehreren Kindern wird eine obere Grenze von 25, bei Alleinerziehenden von 50 Arbeitstagen je Kalenderjahr eingefhrt.

Vom Gesundheitsstrukturgesetz (1992) bis heute

Am 1.1.1993 tritt das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz - GSG) vom 21.12.1992 in Kraft.

In der (gesetzlichen) Krankenversicherung der Rentner sieht das GSG vor, daß ein Rentner nur dann versicherungspflichtig wird, wenn die Vorversicherungszeit durch Pflichtmitgliedschaften erfüllt wird. Dadurch entfällt ein wesentlicher Anreiz, die freiwillige Versicherung bei der gesetzlichen Krankenversicherung der Privatversicherung vorzuziehen. Der Beitragsbemessung freiwillig versicherter Rentner werden der Zahlbetrag der Rente und der Versorgungsbezüge, das Arbeitseinkommen und die sonstigen Einnahmen (Zinseinnahmen, Mieten) bis zur Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt. Für die Beitragsbemessung aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen ist nicht mehr der halbe, sondern der ungekürzte Beitragssatz maßgebend.

Auch die Voraussetzung dafür, Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung nach Ausscheiden aus der Versicherungspflicht bleiben zu können, wird geändert. Bisher mußte man in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens zwölf Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens sechs Monate versichert gewesen sein. Ab dem 1.1.1993 werden vierundzwanzig bzw. zwölf Monate gefordert.

Beim Zahnersatz werden einige Leistungsarten ausgegrenzt. Kieferorthopädische Behandlungen werden, abgesehen von schweren Kieferanomalien, auf Versicherte unter 18 Jahren beschränkt. Die Höhe der Zuzahlung zu Arznei- und Verbandmitteln wird geändert. Bis zu einem Apothekenabgabepreis bis 30 DM sind 3 DM, bis 50 DM 5 DM und über 50 DM 7 DM zu zahlen. Diese Regelung gilt auch für Arzneimittel, für die ein Festbetrag bestimmt ist. Ab 1.1.1994 soll die Zuzahlung für kleine Packungsgrößen 3 DM je Packung, für mittlere Packungsgrößen 5 DM und für große Packungsgrößen 7 DM betragen. Die Ermächtigung, Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung herauszunehmen, wird durch die Bestimmung ersetzt, bis zum 31.12.1995 eine Liste verordnungsfähiger Fertigarzneimittel herauszugeben. Sie soll von einem zu gründenden Arzneimittelinstitut der Krankenversicherung vorbereitet werden.

Krankenhausbehandlung wird ab dem 1.1.1993 vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär und ambulant erbracht. Nach wie vor haben Versicherte über 18 Jahren bei vollstationärer Behandlung innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 14 Tage eine Zuzahlung zu erbringen, die allerdings von 10 DM auf 11 DM pro Kalendertag erhöht wird. Ab 1.1.1994 erhöht sie sich auf 12 DM. In den neuen Bundesländern sind ab dem 1.1.1993 acht DM und ab dem 1.1.1994 neun DM zu zahlen. In gleicher Höhe ist die Zuzahlung bei Vorsorge- und Rehabilitationskuren aufzubringen.

Die im Ausland entstehenden Behandlungskosten werden ab dem 1.1.1993 durch die gesetzliche Krankenversicherung erstattet, wenn der Versicherte sich wegen einer Vorerkrankung oder seines Lebensalters nachweislich nicht privat versichern kann. Die gesetzliche Krankenversicherung muß dies vor Beginn des Auslandsaufenthalts feststellen. Die Kostenübernahme darf nur für längstens sechs Wochen im Kalenderjahr erfolgen. Schutzimpfungen vor Urlaubsreisen ins Ausland werden von der Leistungspflicht ausgeschlossen.

Freiwillige Mitglieder und deren mitversicherte Familienangehörige können für die Dauer der freiwilligen Versicherung statt Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen, wobei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sind.

Versicherungspflichtige Beschäftigte, die durch Errichtung oder Ausdehnung einer Betriebs- oder Innungskrankenkasse Mitglied dieser Kasse würden, können ab dem 1.1.1993 Mitglied der bisherigen Krankenkasse bleiben. Ab dem 1.1.1996 sind Beschränkungen des aufnahmeberechtigten Mitgliederkreises nicht mehr zulässig. Die Primärkassenfunktion der Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen entfällt.

Mit Wirkung vom 1.1.1994 wird ein bundesweiter und kassenartenbergreifender Risikostrukturausgleich eingeführt. Die finanziellen Auswirkungen bestimmter Unterschiede zwischen den Krankenkassen sollen hierdurch ausgeglichen werden. Der Ausgleich wird durch das Bundesversicherungsamt durchgeführt.

Ab dem 1.1.1996 wird die Vertreterversammlung zugunsten eines kleineren Verwaltungsrates beseitigt. Der ehrenamtliche Vorstand, der bisherige Geschäftsführer und dessen Stellvertreter werden durch einen hauptamtlichen Vorstand ersetzt.

Sozialhilfeempfänger werden ab dem 1.1.1997 in die Krankenversicherungspflicht einbezogen.

Das Gesetz zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz) vom 27.7.1992, das am 5.8.1992 in Kraft tritt, überführt die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bei Empfängnisverhtung, Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation von der RVO in das SGB V. Neu ist, daß Versicherte bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres von ihrer gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen für ärztlich verordnete empfängnisverhütende Mittel verlangen können.

Der BMG erläßt am 7.4.1993 die Verordnung über die Tätigkeit des Instituts "Arzneimittel in der Krankenversicherung". Seine Mitglieder sind elf Sachverständige, die vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen mit Zustimmung des BMG für die Dauer von vier Jahren berufen werden. Diese beginnen ihre Tätigkeit mit der konstituierenden Sitzung am 29.9.1993. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, eine Liste von Arzneimitteln zu erstellen, deren Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden dürfen.

Das Zweite Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (2. SKWPG) vom 21.12.1993 tritt am 1.1.1994 in Kraft und beseitigt den Pauschbetrag von 400 DM, den der Bund an die Krankenkassen für jeden Fall zahlt, in dem diese Mutterschaftsgeld erbringen.

Gleichzeitig tritt auch die vom BMG erlassene Verordnung über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (Risikostruktur-Ausgleichsverordnung - RSAV) vom 3.1.1994 in Kraft. Sie regelt das Verfahren, nach dem die unterschiedlichen Risikobelastungen und Versichertenstrukturen (Alter, Geschlecht, mitversicherte Familienmitglieder, Einkommen) durch Zahlungen zwischen den Krankenkassen ausgeglichen werden sollen.

Quellen:

Dr. Walther Heyn, Die Gesetzliche Krankenversicherung, Verlag Versicherungswirtschaft e.V., Karlsruhe, 1971

Dr. Horst Peters, Die Geschichte der sozialen Versicherung, Asgard-Verlag, Sankt Augustin, 1978

Dr. Manfred Zipperer, Zur Geschichte der gesetzlichen Krankenversicherung, Bonn, 1990

Deutscher Bundestag, "Chronik", Bände I bis XI, Bonn, 1954 bis 1991

Hans Töns, Hundert Jahre gesetzliche Krankenversicherung, Verlag der Ortskrankenkassen, Bonn, 1983

Rechenschaftsberichte des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V., Köln, 1964 bis 1993