Artikel über das Verhältnis der Piratenpartei zum Grundgesetz

"Wir halten uns ans Grundgesetz, da sind wir konservativ." Mit dieser Aussage sind die Piraten NRW im Jahr 2012 in den Landtagswahlkampf gegangen. Auch schon vorher wurde die Piratenpartei von dem einen oder anderen Repräsentanten als Partei des Grundgesetzes, als Grundgesetzpartei bezeichnet.

 

Sebastian Nerz, inzwischen nicht mehr Mitglied bei den Piraten, hat in seiner Zeit als Bundesvorsitzender die Piratenpartei als sozial-liberale Grundrechtspartei gesehen, die sich unter anderem für politische Transparenz einsetzen will.

 

Das Grundgesetz, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, feiert in diesem Jahr seinen 65. Geburtstag. Am 23. Mai 1949 wurde es verkündet und mit Ablauf dieses Tages ist es in Kraft getreten.

 

Anlass, um der Frage nachzugehen, ob die Piraten immer noch einmütig hinter dem Grundgesetz und vor allem auch hinter der von ihm begründeten freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen.

 

Warum sahen sich verschiedene Gliederungen der Piratenpartei gezwungen, sich auf Mitgliederversammlungen und Parteitagen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen? Ist das nicht für eine politische Partei in der Bundesrepublik Deutschland eine Selbstverständlichkeit?

 

Seit dem Jahr 2012 tauchen auf den Mailinglisten der Piraten – ein wichtiges Medium der Partei – immer wieder Aufrufe auf, in denen es darum geht, andere Menschen daran zu hindern, ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen oder ihre Meinung öffentlich zu äußern.

 

Aber auch parteiintern nahmen die Versuche zu, Mitglieder mit abweichenden Rechtsstandpunkten oder auch mit Ansichten, die nicht der herrschenden politischen Korrektheit entsprechen, mundtot zu machen, in dem man sie zum Beispiel aus der Partei ausschließen lässt.

 

Das Demonstrationsrecht ergibt sich aus der Meinungsfreiheit (Artikel 5) und der Versammlungsfreiheit (Artikel 8) des Grundgesetzes. So heißt es in Artikel 5: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Und Artikel 8 besagt: Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

 

Nun gibt es aber Piraten, die sich zu Gesinnungspolizisten und Meinungsdiktatoren erheben, und meinen, sie dürften bestimmen, was als Meinung im Sinne des Grundgesetzes gilt und wer Grundrechte ausüben darf und wer nicht.

 

Mit dieser Argumentation wurden in Deutschland schon einmal Grundrechte eingeschränkt und außer Kraft gesetzt. Wohin das geführt hat, das wissen wir ...

 

Gerade diese Erfahrungen haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat 1949 veranlasst, den Grundrechten eine ganz besondere Bedeutung zu geben und sie auch besonders zu schützen.

 

So wurden die Einschränkung und die Verwirkung von Grundrechten genau geregelt. Hier spielt das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Verfassung eine besondere Rolle. Einer Partei oder einzelnen Bürgern steht der Eingriff in die Grundrechte ihrer Mitbürger nicht zu.

 

Der Grundsatz "Der Zweck heiligt die Mittel." ist nicht Teil der vom Grundgesetz geschaffenen Rechtsordnung. Und das ist gut so. Zweck und Mittel müssen zusammen passen. Die Mittel müssen angemessen und verhältnismäßig sein. Anderenfalls verderben sie den Zweck.

 

Wer diesem Grundsatz gehorcht, folgt der gleichen Logik wie diejenigen, denen vermeintliche Sicherheit wichtiger ist als Freiheit und die einen Überwachungsstaat auf- und ausbauen wollen.

 

Das schließt selbstverständlich „Gegendemonstrationen“ nicht aus. Natürlich ist es legitim, auf eine Demonstration mit einer Demonstration zu antworten, um seine gegenteilige Meinung zum Ausdruck zu bringen. Das Werfen mit Eiern, Obst oder Gemüse und andere Arten von Behinderungen und Gewalt sind nicht in Ordnung.

 

In jüngster Zeit wurden solche Aktionen auch von Repräsentanten der Piratenpartei gutgeheißen und rechtfertigt. Dies ist nicht akzeptabel.

 

Gesinnungs- und Meinungsterror – unter welchem politischen Vorzeichen auch immer – sind mit dem Grundgesetz und damit auch mit den ursprünglichen Ideen und Grundwerten der Piratenpartei nicht zu vereinbaren.

 

"Wehre(t) den Anfängen! Zu spät wird die Medizin bereitet, wenn die Übel durch langes Zögern erstarkt sind." Damit das Grundgesetz auch in Zukunft ein großes Angebot bleibt. Als solches nämlich hat es einst der erste Bundesminister des Innern der Bundesrepublik und ehemalige Bundespräsident Dr. Gustav Heinemann bezeichnet.